Predigt zum Volkstrauertag 2012

Gnade sei  mit Euch und Friede, von Gott unserem Vater und von unserem Herrn, Jesus Christus!
Amen

Liebe Gemeinde,

 

heute genau vor 70 Jahren, am 18. November 1942, endete der deutsche Angriff auf Stalingrad in den Ruinen der Stadt. Danach schloss sich der Kessel um die 6. Deutsche Armee. Mit den Soldaten der roten Armee kämpften Winterkälte und Hunger siegreich gegen die eingeschlossenen deutschen Soldaten und brachten Leiden und Tod über sie. Welche Bilder des Entsetzens und Grauens sind alleine mit der Schlacht von Stalingrad verbunden. Und doch sind sie nur ein Bruchteil des Leidens und des Leides, das über die Welt kam.

Immer wieder werde ich gefragt, ob es denn noch sinnvoll sei, an die Toten der beiden Weltkriege zu denken, ob nicht doch schon die meisten, die es noch erlebt hätten gestorben wären und also kein Bedarf mehr sei für einen Gottesdienst am Volkstrauertag. Wer so fragt, verkennt, wie tief und wie nachhaltig dieser zweite Weltkrieg in unser Volk und unsere Gesellschaft hineingewirkt hat.

Kaum eine Familie, die nicht mindestens einen Toten oder Vermissten zu beklagen hatte. Auch heute kaum eine Trauerfamilie, die mir nicht aus dem Krieg berichtet, wenn es daran geht den Lebenslauf eines Verstorbenen zusammenzutragen.

Und immer wieder sind da Geschichten dabei, die erschrecken lassen, die unglaublich Schweres zu Tage fördern, eine so grandiose Zerstörung von Leben und Jugend, dass einen der Zorn packen will.

Nein, da ist nichts verjährt oder bereits überwunden. Wir haben noch immer Grund zu trauern über soviel zerstörtes Leben von jungen Männern aller Nationen, so vieler junger Frauen, die ihren Mann verloren haben und mit kleinen Kindern ganz alleine dastanden. Wir haben immer noch zu trauern und zu tragen am Schicksal der Kindersoldaten, die Hitler mit 15 und 16 Jahren eingezogen hat und die bis heute als alte Männer noch in ihren Träumen durch das Grauen gehen. Jetzt nach 70 Jahren wagen wir darüber zu sprechen, dass auch die Kriegskinder und noch deren Kinder zu leiden hatten unter dem, was ihren Eltern psychisch widerfahren ist.

So ist der Volkstrauertag kein überflüssiger Tag und unser Gedenken heute kein unnötiges Tun, sondern es geht darum, dass wir die Erinnerung daran wachhalten, dass jeder Krieg menschenfeindliche Gewalt und Zerstörung von Leib und Leben, von Hab und Gut mit sich bringt. Jeder Krieg, auch alle heutigen Kriege in Syrien, im Sudan oder Afghanistan zeigen es wieder. Und sie zeigen uns Menschen, welch grausames Tier der Mensch im Krieg werden kann, wenn die Dämme brechen, die sonst ein Tabu auf das Töten der Artgenossen legen.

Der Mensch ist des Menschen Wolf!

hat der Philosoph Thomas Hobbes einmal aufgeschrieben.

Aber schon lange vor ihm hat der Apostel Paulus in seinem Brief an die Gemeinde in Rom noch viel deutlichere Worte gefunden und schreibt:

„Da ist keiner, der gerecht ist, auch nicht einer. Da ist keiner, der verständig ist; da ist keiner, der nach Gott fragt. Sie sind alle abgewichen und allesamt verdorben. Da ist keiner, der Gutes tut, auch nicht einer. Ihr Rachen ist ein offenes Grab; mit ihren Zungen betrügen sie. Otterngift ist unter ihren Lippen; ihr Mund ist voll von Flüchen und bitteren Worten. Ihre Füße eilen, Blut zu vergießen; auf ihren Wegen ist lauter Schaden und Jammer, und den Weg des Friedens kennen sie nicht. Es ist keine Gottesfurcht bei ihnen.“ (Römer 3,10-18)

Der Mensch als ein Raubtier und als größter Feind des andern Menschen. Es tut weh, dieses Bild anzuschauen. Noch viel schmerzhafter ist der Gedanke: Du könntest das auch sein: dem andern Menschen einer, der Verderben über ihn bringt durch Lug und Trug und Verleumdung und Mobbing und was der Dinge mehr sind, mit denen wir einander schaden können und manchmal auch wollen. Menschen haben die Stirn, einander zu schrecken und das Fürchten zu lehren. Jeder Mensch? Die Leute von der Kripo meinen: Ja, jeder Mensch könnte zum Mörder werden, jeder. Man mag darüber zu Tode erschrecken, und das mit Recht. Das Böse kann sich der Menschen bemächtigen. Der Krieg bekommt eine Eigendynamik. Gewalt gebiert neue Gewalt, Blutvergießen bringt noch mehr Blutvergießen. Mit Schaudern denken wir noch an die Massenerschießungen im ehemaligen Jugoslawien, an all die Männer und jungen Burschen, die einfach zusammengetrieben, erschossen und in Massengräbern verscharrt wurden. Mit Entsetzen erinnern wir      an den Holocaust und die vielen vergasten Menschen, an die KZs und die Gefolterten aller totalitären Regime bis heute.

Es sieht so aus, als wäre eine ganz dunkle Seite in diesem Geschöpf Gottes, dem Menschen. Ist also der Mensch ein hoffnungsloser Fall? Ist es doch umsonst, solch einen Volkstrauertag zu feiern, weil wir den nächsten Krieg gar nicht verhindern können, wenn der Mensch doch eine Bestie ist?

Nein, es ist nicht umsonst. Der Apostel Paulus schreibt uns ja schon, wo Hilfe ist. Gottesfurcht wäre der Anfang des Friedens. Gottesfurcht – das bedeutet: Menschen fragen nach Gott. Sie leben nicht einfach drauf los und tun alles, was sie wollen und wonach es ihnen gerade ist. Nein, sie fragen nach Gott und damit danach, was gut und heilsam ist für alle. Sicher wisst ihr alle, wie schwer das ist, wenn wir eine richtige Wut auf jemanden haben und ihn am liebsten verhauen würden. Da ist es schwer, sich zurückzuhalten. Kleine Buben schlagen sich dann wirklich ohne jede Hemmung. Ihre Erziehenden sind bemüht, ihnen friedliche Konfliktlösungsmöglichkeiten beizubringen. Auch die kleinen Damen geraten sich durchaus handfest in den Haarschopf und das tut weh. Auch sie brauchen einen, der sie bremst, Gewalt zu gebrauchen. Im Erwachsenenalter benimmt sich ein großer Teil der Menschheit ganz gesittet und ist normalerweise nicht gemeingefährlich. Wer das nicht schafft, wird von der Polizei aus dem Verkehr gezogen. Mit Erziehung halten wir gemeinschaftsschädliches Verhalten im Zaum.

Den Weg des Friedens kennen die Menschen nicht von sich aus, sagt uns schon Paulus. Und das kommt daher, dass der Mensch keinen Frieden in sich hat, sondern immer ein von Sehnsucht und Durst nach Lebenserfüllung umgetriebenes Wesen ist, Neid verspürt und Begierden, -  kurz der Mensch ist ein Wesen, das zuallererst einmal in seinem Herzen Frieden braucht. Wer keinen Frieden in sich hat, kann auch keinen bauen oder weitergeben.

Und nun sagt uns Paulus, wie der Mensch diesen Frieden bekommt. Er kann ihn nicht aus eigener Anstrengung erreichen. Der wirkliche Friede ist ein Geschenk Gottes. Gottesfurcht ist ein Partner des Friedens. Im Epheserbrief sagt uns der Apostel:

CHRISTUS IST UNSER FRIEDE!

Denn in diesem einen Menschen hat Gott Frieden gemacht und gestiftet zwischen uns und ihm. Gott selber hat all das Böse in die Hand genommen und weggeschafft durch das Kreuz von Jesus Christus. Dort hat sich das Böse an Gott selber ausgetobt. Dort traf die Gewalt auf EINEN, der nicht schalt, als er gescholten wurde, der nicht zurückschlug, als er geschlagen wurde, der nicht verfluchte, als man ihm fluchte, der nicht hasste, als man ihn zu Tode brachte, sondern um Vergebung bat für seine Peiniger. So sah der Weg des Friedens für Jesus aus Nazareth aus. So machte er Frieden für uns Menschen, zwischen Gott und uns. Denn das Böse verlor den Kampf. Die Gewaltlosigkeit war stärker. Gott hat Jesus aus dem Tod geholt und seinen Weg des Friedens auf diese Art bestätigt. Und seither kennen wir den Weg des Friedens, auf dem Menschen sich einander zuwenden ohne Hass und  Neid und Konkurrenzdenken, einfach als Schwestern und Brüder. Sie können das, weil sie durch Jesus Christus erfahren: Ich bin ein von Gott geliebter Mensch. Ich bin okay! Und der Mensch neben mir ist auch ein von Gott geliebter Mensch. Auch er ist okay. Und ich gehöre zu Gott untrennbar. Da bin ich gut aufgehoben. Ich muss mich vor nichts und vor keinem Menschen fürchten. Wer das begriffen hat, der hat den Weg frei zu einem liebevollen Leben mit Gott und den Menschen durch Jesus Christus, unseren Herrn. So beginnt der Friede immer bei mir selbst, mitten drin in meinem Herzen. Und dann strahlt er nach außen! Dieser Friede ist ein dreifacher: Ich bekomme Frieden mit Gott, Frieden mit mir selbst und Frieden mit meinen Mitmenschen.

Es gab in der Hölle des Nationalsozialismus viele Christen, die den Weg des Friedens durchhielten bis zu ihrer Hinrichtung. Menschen, die den Mut hatten, der Hölle zu widersprechen um der Menschen willen und für die Wahrheit auch zu leiden. Auf katholischer Seite erinnere ich heute an Pater Maximilian Kolbe. Er ging für einen Familienvater in den Hungerbunker und starb an seiner Stelle. Und ich erinnere auf Evangelischer Seite an Pfarrer Dietrich Bonhoeffer, der, als er zum Galgen schritt keinen Menschen verfluchte, sondern betete.

Frieden mit Gott zu haben und mit sich selber, das ist eine ungeheure Kraft, auch die, dem andern Menschen ein Christus zu sein, und kein Wolf mehr. Christus selber lebt in seinen Christen und dann hat die Wolfsnatur nichts mehr zu sagen. Dann mag es sein dass unser Wolf ganz artig zu Christi Füßen sitzt und gehorcht. Und das ohne große Mühe. Ich wünsche es mir selbst, und ich wünsche es Euch allen, dass durch uns Christi Friede kommt, wohin wir auch gehen. Menschen sollen durch uns spüren, dass Gott sie liebt und annimmt. Wer das weiß, in dessen Herz haben Hass, Neid und Gewalt keinen Boden mehr. Lasst uns Christi Boten sein und weitersagen, dass jeder Mensch ein Geliebter Gottes ist, damit noch viele Menschen Frieden finden und mit jedem einzelnen, der es begreift, Orte des Friedens zunehmen auf Erden.

 

AMEN

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